Das Problem sitzt Tief

Ja, es war “Letztes Jahr”, aber ich komme jetzt erst dazu, es niederzuschreiben und noch immer fehlen mir die Worte.

Ich arbeite im Sicherheitsdienst und war in dieser Funktion ende des Jahres im Einsatz. Genaugenommen eine Nachtschicht in einer Flüchtlingsunterkunft. Die Bewohner dort traten mir gegenüber bisher immer freundlich und nett auf. Dennoch zeigt das Gebäude deutliche Spuren von Vandalismus und Zerstörung. Es ist anzunehmen das einiges davon auf die Bewohner zurückzuführen ist. Einen gewissen Frust kann ich sogar nachvollziehen, wenn man jahrelang in kleinsten Wohneinheiten mit Gemeinschaftsküchen und Bädern, eingezäunt verbringen muss. Dennoch. Die Dienste dort sind in der Regel ruhig und entspannt. Halbstarke, die laut Musik hören, mal eine Streitigkeit oder eine aus der Bahn geratene Kochaktion. Nichts, was nicht jeder Jugendherbergsleiter oder Hostelbetreiber nicht auch berichten könnte.

Erschreckend daran ist nicht der Umgang der Geflüchteten miteinander oder mit uns, sondern der Umgang der Mitbürger oder in diesem Fall sogar der Hilfeleistenden von “außerhalb”. Der Dienst verlief wie immer ruhig und entspannt, bis mitten in der Nacht, etwa 3:15 Uhr ein Bewohner vor dem Wachbüro stand und über Schmerzen beim Atmen klagte. Der Mann jenseits der 50 klagte über Schmerzen in Brust und Rücken und reichte uns einen Beutel mit Medikamenten, die er verschrieben bekommen hat sowie auf Rückfrage seinen Ausweis (wir wollten die Meldung an die ärztliche Bereitschaft um das Alter sowie den korrekten Namen und Herkunft ergänzen).

Ein erster Blick in den Beutel sowie eine Konsultation von Dr. Google ergab, das es sich um Mittel gegen Magenprobleme handelte, deren Symptome zu den beschriebenen Beschwerden passte. Also haben wir die 116117 Angerufen. Der Rettungsdienst ist schließlich für echte Notfälle vorgesehen. Nach einer detaillierten Beschreibung und Übermittlung der Medikation wurde uns zugesagt, dass der Bereitschaftsarzt kommen würde. Der Bewohner wollte dessen Ankunft bei uns vor dem Wach-Büro abwarten. Nach 1,5 h ohne Eintreffen des Arztes baten wir den Bewohner aufs Zimmer zu gehen, da er dort liegen könne. Seine Angehörigen baten wir uns umgehend zu benachrichtigen, wenn sich sein Zustand verschlechtere. Nach über 4 h gegen 6:45 Uhr klingelte dann mein Handy. Am anderen Ende: ein deutlich missgelaunter Arzt der mich zuerst für den Patienten hielt. Nach Klarstellung des Sachverhaltes wurde mehrfach nachgefragt, ob es denn wirklich nötig sei, dass er kommt. Das kann ich als Nicht-Mediziner natürlich nicht abschließend beurteilen, also bat ich um erscheinen. Daraufhin fand eine Diskussion über Kostenübernahme (auch für den Coronatest) und so weiter statt. Irgendwann fragte ich dann danach, ob denn die Medikation von der 116117 weitergeben wurde, was er verneinte. Der Zustand des Patienten war nur am Rande Thema des Gesprächs …. Der Arzt sicherte uns dann erneut zu, dass er dann jetzt losfahren würde. Wir haben also den Bewohner wieder geweckt und in Erwartung des Arztes wieder vor das Wach-Büro gesetzt. Als gegen 7:30 Uhr immer noch kein Arzt in Sicht war, habe ich mich erdreistet, den Arzt zurückzurufen. Erneut missgelaunt versicherte er mir erneut, dass er nun dann losfahren würde. Den Bewohner darüber informiert, entschied er auf eigene Faust mit (dann wieder verfügbaren) öffentlichen Verkehrsmitteln zum Krankenhaus zu fahren.

Die Krönung war dann die Reaktion des Arztes, als ich ihn über die Entscheidung des Patienten informierte: „es sei “Unglaublich”, “Unverschämt” und “Typisch für diese Asylanten”waren nur einige der Äußerungen des Mediziners. Dass ein Anruf bei der 116117 mitunter Geduld und die ärztliche Bereitschaft keinen ernsthaften Notfall darstellen sollte, ist klar. Über die Dauer bin ich dennoch überrascht. Die untragbaren Äußerungen des Arztes schlagen jedoch dem Fass den Boden aus. Ich kann verstehen, dass unser Gesundheitssystem auch für die Mitarbeiter des Selbigen frustrierend ist. Diese Art von Fremdenfeindlichkeit und Asozialem Verhalten hat unabhängig von der Frustration in diesem Berufsstand jedoch absolut nichts verloren. Ich habe einen Bericht verfasst, fürchte aber, dass er nicht dort ankommt, wo er etwas bewegen könnte.

Was haltet Ihr davon?


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